Leonardo da Vinci, Galionsfigur der Renaissance, hätte No-Code/Low-Code geliebt. Wenn Software uns heute durch Automatismen immergleiche Arbeitsschritte abnimmt, ist die Parallelität zum humanistischen Weltbild, das den Menschen in den Mittelpunkt rückt, nicht zu übersehen: Wir werden wieder frei für Kreativität und wertschöpfendes Handeln. Nichts anderes bedeutet No-Code/Low-Code: ohne Programmierkenntnisse Prozesse anlegen, die dann automatisiert ablaufen (= Robotic Process Automation, kurz RPA).
Geht es um neue Prozesse und Geschäftsmodelle, lautete das Credo noch vor zehn Jahren: mobile first. Heute wird als erstes gefragt, ob Neuentwicklungen automatisierbar sind. Kann man die neue Dienstleistung, das neue Produkt unter einer Automationsbrille betrachten? Kann sie dem Menschen stupide Tätigkeiten abnehmen und ihm ein produktives, zufriedenstellendes Arbeiten ermöglichen?
Prozesse end-to-end automatisieren
Robotic Process Automation lautet das Schlagwort, das schon länger kein Nischenthema mehr ist. Nicht mehr ob, sondern wann, wie viel und in welchen Bereichen kann automatisiert werden, das sind die Fragen von heute. Über den Tellerrand einzelner Teilaspekte, etwa in der Buchhaltung, schaut man dabei längst hinaus. Unternehmen betrachten das Thema RPA heute mehr und mehr holistisch. Sie denken Abläufe von Anfang zum Ende. Prozessunterstützung „hire to retire“ sozusagen.
„Robotic Process Automation stellt den Menschen in den Mittelpunkt, indem sie ihn von Routinen entlastet, die auch Maschinen erledigen können. Unseren Arbeitsalltag füllen wir künftig mit Tätigkeiten an, zu denen eben nur Menschen fähig sind. So gesehen ist RPA ein wahrer Akt des Humanismus.“
– Otto Flake, Innovationsmanager
Digitale Prozesse findet man in den Unternehmen heute zuhauf. Woran es noch stockt, sind die Übergabepunkte von einem zum nächsten Ablauf. Genau diese Synapsen herzustellen, dafür bringen die gängigen Automatisierungsplattform starke Features für Process Mining mit. Mittels Beratung und Workshops können Unternehmen herausfinden, wo noch besondere Schwachpunkte liegen und wie es generell mit ihrer „Robotic Readiness“ aussieht. Bleibt die Frage, ob man wirklich ganze Prozesse end-to-end an einen Roboter abgeben möchte. Die technischen Hürden zumindest sind mehr oder weniger ausgeräumt.
No-Code/Low-Code: Kickstarter für RPA
Während Process-Mining-Plattformen noch von der IT-Abteilung ausgebildet, implementiert und betreut werden müssen, gibt es nun einen weiteren Trend. Er zielt gleichfalls auf die Entlastung von stupiden Tätigkeiten, legt das ganze jedoch in die Hände der Fachabteilungen: No-Code/Low-Code. Damit erwächst eine neue Generation von Citizen Developern. Über Tools wie Microsoft Flow erstellen Menschen wie Du und ich in Softwareanwendungen eigenhändig Automatismen, ohne dafür vorab einen Programmierkurs belegt haben zu müssen. Sie können sich selbst überlegen, wo eine Automatisierung bisher manueller Arbeitsschritte sinnvoll wäre. Und sie können dieses Wissen dann auch mit anderen teilen.
Heruntergebrochen stecken hinter No-Code/Low-Code natürlich wiederum nur Befehle, die im Quellcode der Maschine ausgeführt werden. De facto landen wir damit wieder beim Thema RPA. Man könnte also sagen: No-Code/Low-Code ist der Kickstarter für RPA. Es generiert Quick-Wins über die einfache Abbildung vorgefertigter Handlungsoptionen. Gleichzeitig ist es ein neues Entwicklungs-Paradigma, und damit viel mehr als reines RPA. Webanwendungen, SAP-Programme und Mainframe-Apps werden in einem WYSIWYG-Editor zusammengeklickt, am Ende steht ein lauffähiges Programm. Locker über 70 Prozent der täglichen Anforderungen in unserem täglichen Geschäft können wir mit No-Code/Low-Code abdecken. Natürlich muss der Automatismus handwerklich so gut gemacht sein, dass man sich auf ihn verlassen kann. Jeden Prozess anschließend noch einmal prüfen, ob er auch wirklich wie vorgesehen durchgelaufen ist, wäre kontraproduktiv.
Den Fachkräftemangel abfedern
Gerade in der heutigen Zeit mit ihrem eklatanten Fachkräftemangel, kombiniert mit einer signifikanten Inflation, nimmt RPA auch in Branchen Gestalt an, die sich bislang nicht eben als Pioniere der Prozessveränderung oder Digitalisierung hervorgetan haben. Produzierendes Gewerbe, Handwerk oder Baubetriebe etwa. An ihnen gehen die neuen technischen Möglichkeiten natürlich nicht spurlos vorbei. Welcher kleine Betrieb kann es sich schon leisten, eigens jemanden dafür abzustellen, der sich um die Bearbeitung von Rechnungen im ERP-System kümmert?
Und überall, wo man digitalisieren kann, ist Automatisierung der logische nächste Schritt, denn durch sie können sich Menschen besser auf das eigentliche konzentrieren. In diesem Sinne lässt sich Automatisierung als ein Akt des Humanismus verstehen: Sie stellt den Menschen in den Mittelpunkt, indem sie ihn von Routinen entlastet, die auch Maschinen erledigen können. Unseren Arbeitsalltag füllen wir künftig mit Tätigkeiten an, zu denen eben nur Menschen fähig sind: das Gehirn kreativ einsetzen und frei entscheiden, zu tun, was wertschöpfend ist. Vertreter:innen der Gen X/Y/Z achten bei der Jobsuche verstärkt darauf. HR-Abteilungen, die potenziellen Nachwuchskräften nur öde Routineaufgaben in Aussicht stellen können, haben im „War of Talents“ damit garantiert das Nachsehen.
Beispiel: SolMan-Updates vereinfachen
Einen überaus sinnvollen Automatismus hat SIRIUS Consulting unlängst für alle entwickelt, die regelmäßig mit Updates des SAP Solution Managers zu tun haben. Viele kennen das: Man ackert stumpf Dutzende von Masken ab, wartet, bis die Oberfläche reagiert und der Datensatz abgelegt ist. So muss nach jedem Einspielen der halbjährlichen SolMan-Service-Packs jemand für jedes System eine neunstufige Prozedur durchklicken. Das Hundertfache Abarbeiten der Guided Procedures wird ganz schnell zur mühseligen, nervenaufreibenden Angelegenheit.
Der neu entwickelte RPA-Assistent automatisiert manuelle Tätigkeiten im Rahmen von SolMan-Updates und reduziert den Zeitaufwand bei der Einrichtung um bis zu 80 Prozent. Weiterer Effekt: Updates werden regelmäßig durchgeführt, weil Nacharbeiten sich verkürzen, Security-Hotfixes sind schneller eingespielt und Innovationen können schneller genutzt werden. Der Bot arbeitet mit UiPath und ist über den UiPath-Marketplace beziehbar. Er ist das erste Produkt aus dem neuen SIRIUS-Robotic Center of Excellence. Dieses befindet sich derzeit im Aufbau und soll SAP-Kunden künftig gezielt bei ihren Automatisierungs-Roadmaps unterstützen.
Titelbild: ©Olivier Le Moal /Getty Images