Aus den hochfliegenden Plänen der Geschäftsleitung, durch Einführung der neuen Software einen siebenstelligen Betrag im Jahr zu sparen, ist mal wieder nichts geworden? Das Tool wird nicht angenommen, Widerstände machen sich breit? Dann liegt wohl ein Kardinalfehler beim Changemanagement vor: Es wurden nicht alle bei ihren Bedürfnissen abgeholt. Deshalb ist Empathie gefragt, wenn im Unternehmen Veränderungen anstehen. Für jeden muss sich daraus eine gute Story ergeben.
„Wie der Herr, so’s Gescherr“, lautet ein – zugegeben etwas antiquiertes – Sprichwort. Zum Glück sind die Zeiten der Feudalherrschaft vorbei. Und daher geschieht es eben nicht immer so, wie es der „Herr“ sich vorstellt. Übertragen in die Unternehmenswelt von heute lässt sich daran gut festmachen, warum Projekte (gleich welcher Art) oft scheitern: Es arbeiten nicht alle bis auf die unterste Ebene entschlossen und entschieden an einem Strang, um das Ziel zu erreichen. „Erfolgreiches Change-Management bedeutet, alle so früh wie möglich mit ins Boot zu holen.“ Ist das wirklich so? Wann ist so früh wie möglich? Gibt es auch ein zu früh? Ich meine ja –zumindest dann, wenn man bisher nur die Perspektive des Projektsponsors kennt.
Projekte starten in der Praxis zumeist top down. Auch wir als SIRIUS erhalten unsere Aufträge oft von der IT-Leitung oder einer anderen führenden Instanz. Da soll zum Beispiel ein neues System oder ein neuer Prozess eingeführt werden, um effizienter und kostendeckender zu werden. Ein aus Sicht des Top-Managements nachvollziehbares Ziel.
Vielleicht kommt Ihnen das bekannt vor: Nun soll schnell ein Kick-Off Meeting angesetzt werden, das die Einführung einer neuen Software für die breite User-Community kommunizieren soll. Die Präsentation beginnt damit, welche Vision für die neue effizientere IT-Landschaft erarbeitet wurde. Direkt im Anschluss wird erklärt, wie die neue Software auf diese Strategie einzahlt, ein paar Marketing-Slides des Software-Herstellers zeigen, was sie alles kann. Im Anschluss werden noch begeisterte Erfahrungsberichte von anderen Abteilungen abgefeuert, die die Software bereits erfolgreich eingeführt haben. Im letzten Teil der Präsentation wird auch der grobe Ablauf der Einführung erläutert.
„Eine Change Story, welche die Erzählweise eines Projektes durch alle Bereiche unverändert durchläuft, funktioniert nicht. Wer seine Geschichte bei den Kick-off-Veranstaltungen nicht frühzeitig an die jeweilige Zielgruppe anpasst, baut sich unnötige Barrieren auf. Im Projekt fällt einem dies später immer wieder auf die Füße und die in den Weg gelegten Steine werden immer größer. Empathische Story-Boards helfen, von Beginn an den richtigen Pfad zu betreten.“
– Lukas Kappaun, Change Manager bei SIRIUS
Haben alle dasselbe Ziel?
Klingt doch nach einer runden Story, oder? WHY, WHAT and HOW sind enthalten. Für die Vorteile der Software wurden sogar „Reason to Beliefs“ in Form von Testimonials geliefert. Und trotzdem springt der Funke nicht über, das Projekt läuft nicht rund. Es offenbaren sich im Verlauf viele Barrieren, je mehr man sich der operativen Ebene nähert, und das Projekt verzögert sich. Was lief schief?
Das Verhängnis – und zwar schon ganz am Anfang der Kick-Off-Präsentation – beginnt mit der substantiellen Frage: Haben alle überhaupt dasselbe Ziel, dieselbe Vision? Werden die Managementziele von Personen auf operativer Ebene genau so formuliert? Von Angestellten, die seit Jahren erfolgreich mit der bisherigen Lösung arbeiten und all deren Vorteile und Probleme inkl. der Workarounds kennen? Oft lautet dort die Strategie: wegducken und hoffen, dass das Thema scheiternd an der eigenen Person/Abteilung vorbeizieht, damit man auf bewährte Weise weiterarbeiten kann. Die funktioniert doch super!
Weil die Kick-Off-Präsentation hier also mit der Vision des Managements startet, werden viele schon zu Beginn abgehängt, da sich die Teilnehmer:innen in ihrer jeweiligen Situation und ihren Problemen nicht wahrgenommen fühlen. Anstatt Barrieren abzubauen, hat die Präsentation sogar Widerstand erzeugt.
Vision ist nicht gleich Vision
Projektmanagement setzt deshalb ein funktionierendes Change Management voraus. Es reicht nicht zu wissen, welche Beteiligten (auch außerhalb meines Projektteams) Einfluss auf die Erreichung des gewünschten Projektergebnisses haben. Man muss auch verstehen, welche Ziele und Probleme mit ihrer jeweiligen Rolle verknüpft sind. Der Sachbearbeiter verbindet mit der Einführung einer neuen ERP-Lösung mit Sicherheit ganz andere Erwartungen als die Chefin. Deshalb achten wir in Changemanagement-Projekten darauf, für jeden Beteiligten von Anfang an eine individuelle Story zu formulieren und ihn bei seinen Problemen, Ängsten und Motiven abzuholen. Ein emphatischer Ansatz, der uns zweierlei ermöglicht: Wir können vorauszusehen, welche Fragen und Barrieren bei der Präsentation auftauchen. Und wir können planen, welche Informationen wir wann und in welcher Reihenfolge vermitteln. So lassen sich Barrieren frühzeitig adressieren. Sie entstehen gar nicht erst bzw. können gleich aufgelöst werden.
Methodisch bedienen wir uns dabei verschiedener so genannter Change-Story-Boards. Dazu zwei Beispiele:
Die große Vision.
Der Klassiker unter den Change-Stories: Gestartet wird mit einer Vision (Wir reduzieren Kosten / verbessern unseren Service-Level), danach werden Hindernisse aufgezeigt, die überwunden werden müssen, um zur Vision zu gelangen. Für diese gibt es bereits Lösungen, die wir in unserer Präsentation aufzeigen und so motivieren wir zur Aktion. Dieser Präsentationsaufbau ist der vermutlich weit verbreitetste.
Der Clou bei diesem Einstieg ist jedoch, dass alle dieselbe Vision bzw. dasselbe Ziel haben müssen, damit die Story funktioniert. Dies ist aber vielen Projekten gar nicht der Fall. Eine Lösung dafür kann beispielsweise sein, die Ziele und Probleme des Top-Managements am Anfang der Präsentation mit den Zielen und Problemen auf operativer Ebene auszutauschen. Das funktioniert zumindest dann, wenn beide Ziele in derselben Lösung resultieren.
Alternativ kann man auch über folgendes Story-Board nachdenken:
Der wertschätzende Blick zurück.
Anstelle des Blicks nach vorn beginnt dieses Story-Board mit der Wertschätzung von Leistungen der Vergangenheit. In etwa so: „Mit unserer alten ERP-Lösung haben wir sehr gute Arbeit geleistet und unsere Prozesse hochgradig optimiert. Jetzt aber gibt es aber neuartige Probleme, die andere Anforderungen an unsere Prozesse stellen oder die wir mit dem bisherigen Tool nicht lösen können. Wenn wir in Zukunft also nicht ins Hintertreffen geraten wollen, müssen wir reagieren und unsere Prozesse frühzeitig anpassen.“ Wir starten die Präsentation also nicht mit einer Vision, die wir als gemeinsam geteilte Vision voraussetzen, sondern erklären behutsam und versöhnlich, warum der Change überhaupt notwendig ist, nehmen Menschen aus der operativen Ebene in ihrer Perspektive ernst und dadurch mit.
Die Liste der Story-Board-Varianten ist natürlich noch lange nicht vollständig, aber die Grundidee sollte klar geworden sein. Der richtige Einstieg macht die Musik.
Weichen richtig stellen
Die vorgenannten Story-Boards fußen allesamt auf der richtigen Einleitung, die sicherstellt, dass die Zuhörer:innen in ihrer jeweiligen Situation bzw. ihren inneren Widerständen abgeholt werden. Das bedeutet aber auch, dass man eine jeweils auf die Zielgruppe abgestimmte Change-Story braucht. Je unterschiedlicher die Angesprochenen, desto schwieriger oder unmöglicher ist der richtige Einstieg, der alle mitnimmt.
Merke also: Das viel zitierte Mantra „Man muss die Menschen mitnehmen“ birgt gefährliche Stolpersteine in sich. Aber es gibt auch konkrete Methoden, wie es in der Praxis trotzdem funktionieren kann. Sie sollten angewendet werden, damit man nicht bereits beim Kick-Off eines Projekts die falschen Weichen stellt. Wir bei SIRIUS haben uns damit eingehend beschäftigt und können deshalb auf eine überdurchschnittlich hohe Quote erfolgreicher Changeprojekte zurückblicken.
Titelbild: ©tadamichi/Getty Images